TSCHAWINERSEE IM WALLIS
«Euse Bernhardiner – das isch en Schlawiner», reimten und gutlaunten sich das Schweizer Schlagerduo Vreni und Rudi durch den Grand Prix der Volksmusik in den frühen 1990er-Jahren. Gewannen sie ihn? Ich weiss es nicht mehr. Diese «hookline», wie der moderne Songwriter sagen würde, verfolgte mich auf Schritt und Tritt im Aufstieg zum – Tschawinersee. Ja, ich bin ein einfaches Gemüt. Der Name meines Nachtziels erinnerte mich an diese Kindheitstage. Nicht schön.
Und doch gibt’s schlimmeres. Aber dazu später.
ZWISCHBERGEN - WO DER NAME PROGRAMM IST
Die Anreise zum Tschawinersee im Walliser Zwischbergen-Tal, an einem der äussersten Enden der Schweiz, zieht sich hin. Via Brig und dem weitläufigen Simplonpass gelangt man mit Bahn und Postauto nach Gondo. Dort liesse sich ein weiteres Postauto, eben nach Zwischbergen, besteigen. Man muss es spätestens zwei Stunden vor Abfahrt reservieren, sonst läuft man Gefahr, dass es sich gar nicht bewegt.
Ich bewältigte die Strecke ins Tal hinein auf Schusters Rappen. Mit zwei Stunden muss von Gondo bis zur Weggabelung in Zwischbergen gerechnet werden. Dort beginnt der Weg hoch zum Tschawinersee. Bis zum See sinds nochmals ca. zwei bis drei Stunden.
SCHWEIZER KATASTROPHEN-DUO
Gondo, war da nicht was? Aber sicher: Dieses in der gleichnamigen Schlucht eingepferchte Dorf am Aussenposten zu Italien, weit ennet dem Simplonpass, wurde im Jahr 2000 von einem beispiellosen Unwetter verwüstet. Alle, die damals im TV auftraten, hiessen Squaratti.
Jüngere dürften jetzt laut aufschreien und mit erhobenem Zeigefinger korrigieren: «Vergiss’s Altä, das war 2017 und das Kaff hiess Bondo. Im Fall.»
Wir liegen alle richtig. Sowohl Gondo als auch Bondo wurden von Katastrophen in der jüngeren Geschichte heimgesucht. Gondo und Bondo: Das klingt nach einem (tragischen) Clownpaar. Oder nach einem Schlagerduo. Quasi Vreni und Rudi der Schweizer Katastrophendörfer.
Jede Geschichte lässt sich auf viele Arten erzählen. In diesem Fall könnte ich von den 15 Strassen- oder Fahrwegquerungen zwischen Gondo und der Alp Waira erzählen. Von den 3 Strassenabschnitten oder der Passage unter der Starkstromleitung.
Lieber erzähle ich aber vom schattigen Buchenwald, vom «Vergissmeinnicht-Meer», von der prachtvollen Heidelbeer- und Alpenrosen-Heide im Lärchenwald und natürlich vom lohnenswerten Tschawinersee und der Gegend dort oben. Kein Mensch weit und breit. Nur einmal mehr ziemlich ruppiger Wind.
Nachdem es mir «Uf den Stöcken» richtig die Nacht verblasen hatte, suchte ich mir in einer langen Testphase das ruhigste, flache Plätzchen. Den Schlaf raubt mir dann was anderes: Ein Fuchs schlich irgendwie verunsichert, aber auch recht unscheu bis angriffslustig um mein Zelt. Er liess sich nicht vertreiben. Ich zog mich wieder in meinen Stoffbunker zurück, voller Hoffnung, dass das Tier sein Interesse an mir verlieren würde. Was es auch tat.
IN DER GUTEN FUCHS-STUBE
Nun, ich bin mir sicher, dass ich mich trotz aller Vorsicht in seiner Stube befand und er sich von mir bedroht fühlte. Auch wenn ich meine Schlafplätze mit Bedacht wähle, ganz ohne Störung bewegen wir uns nicht durch die Landschaft.
Und was gibt’s nun Schlimmeres als Vreni und Rudis «Euse Bernardiner»? Maja Brunners «Das chunnt eus spanisch vor». Es war dieser andere volkstümliche Hit, an dumpfem Chauvinismus kaum zu überbieten, der mich nach dem Intermezzo mit dem Fuchs nicht mehr losliess. Gar nicht schön.
SOUNDTRACK ZUR WANDERUNG
Vreni und Rudis «Euse Berhardiner»: https://www.youtube.com/watch?v=v3uMIKTdvTg
Maja Brunners «Das chunnt eus spanisch vor»: https://www.youtube.com/watch?v=F0OfOOEoFQk
GUT ZU WISSEN
Anreise: Mit der SBB (via Bern) oder der Matterhorn-Gotthard-Bahn (via Erstfeld und Andermatt) nach Brig. Von dort Postauto über den Simplonpass nach Gondo (stündlich). Von Gondo nach Zwischbergen Bord fährt ein Postauto. Vorgängige Reservation nötig (weitgehend kein Mobile-Empfang im Zwischbergental).
Rückreise: Wieder via Gondo/Simplon nach Brig oder Übergang nach Italien/Domodossola via Bocchetta Gattascosa (Übernachtungsgelegenheit im Rifugio Gattascosa: http://www.rifugiogattascosa.com)
Ausgangspunkt: Gondo VS
Endpunkt: Gondo VS (oder Domodossola)
Aufstieg: 2 Std. bis Zwischbergen Wegkreuzung. Weitere ca. 2.5 Std. bis zum Tschawinersee
Abstieg: ca. 3 Std.
Schwierigkeitsgrad: T3