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Nach Le Sentier - Chemin des crêtes: Pro Gallery

NACH LE SENTIER – CHEMIN DES CRÊTES

Zeltwandern goes philosophy: Der Weg –  Le Sentier – ist tatsächlich das Ziel. Es folgt die Beweisführung. Achtung: Der Text kann Langfädigkeiten enthalten. Auf dem Chemin de crêtes im Waadtländer Jura fand ich ausserdem die nächste Entwicklungsstufe des Zeltwanderns: Camping, Croissant und Chalet.


Es könnte so einfach sein: «Der Weg», Le Sentier im Vallée de Joux, ist das Ziel meiner dreitägigen Wanderung auf dem Jurahöhenweg. «Der Weg» ist das Ziel. Soweit so einfach und redewendungs-bewanderten Wandererinnen und Wanderern bekannt. Hier könnte auch schon Schluss sein mit philosophischen Wortklaubereien. Ich könnte mit Fug und Recht – und nicht ohne Stolz – behaupten, dass ich eine physikalische Beweisführung einer weit verbreiteten Behauptung erbrachte. Der Weg ist das Ziel. Quod erat demonstrandum, quasi. Held der Philosophie, Held der Physik, Held der Helden. 


Aber so einfach ist es nicht. Vom Mont Tendre hinab, der letzten Etappe auf meiner dreitägigen Tour auf dem Chemin des crêtes zwischen Ste-Croix und eben Le Sentier, packt mich die Sorge. Was passiert eigentlich, wenn man sich auf dem Weg zum Weg befindet? Nimmt dieser Weg je ein Ende ? 


STE-CROIX – VALLORBE

Dazu später mehr. Vor dem Ende kommt der Anfang. Der Anfang meiner Wanderung war in Ste-Croix, wo die Brauerei mit den schönsten Bier-Etiketten leider ihren Betrieb kürzlich einstellte («Trois dames»). Vom beschaulichen, schön eingebetteten Waadtländer Dorf lief ich in Richtung Vallorbe los: Hoch durch den Wald auf die erste Krete, die Aiguilles de Baulmes. Eine Kalk-Kante wie aus dem Jurabilderbuch. Weiter über den Jura-Gipfel «Le Suchet» lief ich immer leicht auf und ab über Wiesen, Weiden und Wytweiden via Ballaigues und Le Day nach Vallorbe. Nach 8.5 Stunden auf dem Pfad waren die dortigen Annehmlichkeiten voll OK: Camping, Pizza und morgendliche Croissant-Lieferung vors Zelt. 


SEEN-SICHT

Am Tag zwei führt le sentier über alte, schottrige Fahrstrassen in Richtung Dent du Vaulion, wo sich ein grandioser Blick gleich über vier Seen bietet: den Neuenburger- und den Genfersee sowie über den Lac de Joux und den Lac Brenet. Beim kleinen Pass «Pétra Felix» an der Strasse über den Col du Mollendruz gäbs eine Abzweigung hinunter ins Vallée de Joux (Le Pont), wieder mit vielen Annehmlichkeiten. Besonders in Anbetracht des angesagten 24-Stunden-Dauerregens, brauchte es etwas Standhaftigkeit. Was sich später als sehr richtig erwies. 


DIE DREI «C»

Ich lief also weiter in Richtung Col. Auf der Suche nach Wasser umgarnte ich die Baracke mit der Langlaufski-Vermietung – mitten im Sommer ohne viel Hoffnung. Doch eine freundliche Dame harrte darin aus (neues Sommer-Geschäft: E-Bike-Vermietung) und gab mir den regensicheren Tipp mit dem Chalet des italiens, das frei zugänglich sei, in dem man ohne Weiteres unterschlüpfen dürfe. Die nächste Entwicklungsstufe des Zeltwanderns war entdeckt: Nach Camping und Croissant-Service kommt noch das «Chalet». Gewöhnungsbedürftig, aber nach kurzer Abwägung auch das: voll OK.


DER WEG IST DER WEG

Am dritten Tag gings über die hügelige Weite in Richtung Mont Tendre (auf dieser Strecke gibt es Camping-Verbotsschilder, geschützte Flächen sind auf der map.geo.admin.ch-Karte keine eingetragen; kantonale oder kommunale Schutzgebiete sind jedoch nicht ausgeschlossen) zum mythisch anmutenden Mont Tendre und dann hinab eben nach Le Sentier (insgesamt ca. 5 Std.). 


Und genau hier packte mich die philosophische Sorge: Auf dem Weg zum Weg droht alles endlos zu werden. Und endlos ist unschön, wie die Aussicht auf ewiges Leben: Eine auf Dauer furchteinflössende Vorstellung. Selbst die schönsten Dinge brauchen eine Erwartung eines Endes, damit sie überhaupt aushaltbar sind. 


ENDE-BEWUSSTSEIN

Zum Beispiel eine Wurst: Ohne Ende ist eine Wurst einfach nur ein ganz langes Übel. (Weil Wurst für viele auch mit einem Ende eine schwierige Sache ist, hat man ihr aus Rücksicht gleich zwei Enden gegeben.) Selbst Wandern ohne Ende oder ein Pearl-Jam-Konzert ohne Ende wird früher oder später zu einer schlimmen Marterei. Es braucht Enden!


PHILOSOPHISCHES SCHNIPPCHEN

So war das, im Dauerregen auf dem Weg nach «Le Sentier» im Vallée de Joux. Und weil das furchtbar anstrengend war, und ich sicher gehen wollte, dass diese Wanderung im Dauerregen auch wirklich ein Ende nimmt, und ich in Le Sentier nicht in kafkaesker Manier stecken bleibe, schlug ich den Gedanken ein Schnippchen: Ich fuhr kurzerhand mit dem Zug von Le Sentier in die Nachbargemeinde Le Brassus, ans Schweizer Ende des Vallée. Yeah, ein Ende. Problem gelöst. Dort gab’s ein Fondue. 

Nach Le Sentier - Chemin des crêtes: Text

PRAKTISCHES

An- und Rückreise:

  • Start und Ziel sind schön und gut mit dem Zug erreichbar. Ste-Croix via Yverdon-les-Bains. Von Le Sentier oder Le Brassus via Vallorbe und Le Day, dann Lausanne oder Yverdon-les-Bains: www.sbb.ch 

Wandertage:

  • Tag 1: Ste-Croix – Vallorbe, ca. 6-7 Std. Wanderzeit

  • Tag 2: Vallorbe – Chalet des italiens, ca. 5-6 Std. Wanderzeit

  • Tag 3: Chalet des italiens – Le Sentier, ca. 5 Std. Wanderzeit

Schwierigkeitsgrad: T2 bis T3


Kartenausschnitt: https://s.geo.admin.ch/98c2cf3dc6


Weitere Informationen:

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